Im Jahr 2024 feiert die Jugendwerkstatt Bielefeld ihr 40jähriges Jubiläum.
Zeit für einen Rückblick:
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre erlebte die deutsche Jugendhilfelandschaft eine Zeit der Veränderungen. Der gesellschaftliche Wandel ermöglichte die Entwicklung, Erprobung und Förderung zahlreicher neuer pädagogischer Modelle. Die unterschieden sich deutlich von der bisherigen klassischen Fürsorgeerziehung und orientierten sich vermehrt an den aktuellen Bedürfnissen der Kinder- und Jugendlichen.
In diesem Klima des Aufbruchs und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit fand im November 1983 die konstituierende Sitzung zur Gründung des Vereins Jugendwerkstatt e.V. statt.
Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u.a. das Jugendamt Bielefeld mit seinem damaligen Leiter Paul Hirschauer sowie Mitgliedern des Vereins Wohngemeinschaften e.V.. Ziel war es Jugendlichen eine Ausbildung zu bieten, die Hilfen zur Erziehung benötigten bzw. sich in schwierigen Lebenslagen befanden und deshalb besonderer Unterstützung bedurften. Die Finanzierung erfolgte zunächst alleinig über das Jugendamt.
Im August 1984 fiel dann der endgültige Startschuss für eine neue Jugendhilfeeinrichtung in Bielefeld. In der Kfz-Werkstatt in Milse, als anerkannter Ausbildungsbetrieb, begannen 4 Auszubildende die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Sozialpädagogen, Kfz-Meister und die Auszubildenden wohnten gemeinsam in einem Haus in Brackwede.
Ausbildungsmöglichkeiten hatte es in der Jugendhilfe auch schon vorher gegeben. Die fanden in den jeweiligen Heimen statt. Im Gegensatz dazu arbeitete die Kfz-Werkstatt am Markt und bot ihren Auszubildenden hiermit eine vollwertige Ausbildung und vielfältige Möglichkeiten des Kontakts zum Kunden.
Anfangs war großes Improvisationstalent gefragt. So nahm die Verwaltung ihre Arbeit in einem umgebauten Container auf dem Gelände der Kfz-Werkstatt in der Mehlstr. auf.
Im Laufe der Zeit erweiterte sich der Kreis der Hilfesuchenden. Junge Erwachsene, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht waren, die unter Bewährung standen oder gerade aus der Haft entlassen worden waren suchten die Unterstützung der Jugendwerkstatt. Seit 1990 erfolgte die Zuweisung und Finanzierung dieses Personenkreises durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Das hatte zur Folge, dass die Jugendwerkstatt neben den Jugendämtern vermehrt Anfragen von der Bewährungshilfe, den JVA`s und den Beauftragten Stellen des LWL bekam.
Die Jugendwerkstatt wuchs, das Wohnhaus in Brackwede wurde zu klein.
1998 erfolgt der Umzug in die Milser Straße 42-44, einem Gebäudekomplex im Besitz der Stadt Bielefeld. Hier befinden sich bis heute in einem Haus die stationäre Wohngruppe und im gegenüberliegenden Gebäude Büros für die Sozialarbeit und Schulungsräume.
Die pädagogische Arbeit ist ein zentraler Baustein des Vereins. Das Team der pädagogischen Fachkräfte begleitet die Auszubildenden rund um die Uhr im Wohnhaus oder in eigenen Wohnungen im Rahmen eines Bezugsbetreuungssystems. In diesem Rahmen entstehen viele Freizeitangebote. „Wir haben sogar schon einmal gemeinsam mit Auszubildenden und Mitarbeitenden am Run And Roll Day teilgenommen“, erzählt Pädagoge und Leichtathletiktrainer Thomas Heidbreder.
Ein weiteres für die Jugendwerkstatt charakteristisches Element ist die pädagogische Arbeit der Ausbilderinnen und Ausbilder sowie weiterer Fachkräfte in den Werkstätten und Salons. Neben der Vermittlung qualifizierter Fachkenntnisse werden von ihnen wichtige Erziehungsleistungen erbracht, die für die berufliche und gesellschaftliche Zukunft relevant sind.
Um der steigenden Nachfrage nach Ausbildungen von Mädchen und jungen Frauen gerecht zu werden, wurde im Jahr 2000 im Jahnplatztunnel der erste Salon für die Ausbildung zur Friseurin eröffnet. In den folgenden Jahren kamen unter dem gemeinsamen Markennamen „Surprise“ drei weitere Salons in Bielefeld – Quelle, am Rottmannshof und an der Heeper Straße dazu.
Bald starteten in diesem Bereich auch die ersten männlichen Jugendlichen. Mitarbeiterin Claudia Heck… erinnert sich: „Meinen ersten männlichen Azubi werde ich nicht vergessen. Der hatte sofort großen Spaß an der Dauerwelle. Die hätte er am liebsten den ganzen Tag gemacht! Es war gar nicht so einfach ihm klarzumachen, dass zu diesem Beruf auch noch einige andere Inhalte gehören.“
Neben der Unterbringung im Wohnhaus wurden die Jugendlichen zusätzlich im sozialpädagogisch betreuten Wohnen untergebracht um sie realitätsnah auf ein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben vorzubereiten. Hierfür werden kleine Wohnungen und Apartments im Bielefelder Stadtgebiet angemietet.
Der Verwaltungsaufwand wuchs und der Container an der Werkstatt wurde zu klein. 2006 begannen die ersten vier Bürokaufleute ihre Ausbildung in einem Nebenraum des Salons am Rottmannshof.
2009 dann der Umzug der Verwaltung in die bis heute genutzten Räumlichkeiten in der Gadderbaumer Str. 3. Hier werden bis zu 10 Auszubildende betreut. „Die Ausbildung wird professioneller und organisierter und durch das größere Raumangebot verbessert sich die Atmosphäre deutlich“ berichtet Mitarbeiterin Meike Kramer.
Aufgrund steigender Nachfrage wurde 2014 eine zweite Autowerkstatt an der Eckendorfer Straße eröffnet. Zehn Jahre später startete in der Ziegelstraße der neue ‚Salon by Jugendwerkstatt‘.
In ihrem Jubiläumsjahr kann die Jugendwerkstatt Bielefeld insgesamt 39 jungen Menschen Betreuung und einen Ausbildungsplatz anbieten.
Der berufliche Alltag stellt an alle Mitarbeitenden der Jugendwerkstatt hohe Anforderungen. Meike Kramer: „Mir tut der Kontakt mit ehemaligen Azubis gut, die hin und wieder in der Verwaltung vorbeikommen oder die ich zufällig in der Stadt treffe. Wenn die mir erzählen, dass sie Jobs in der Industrie oder bei der Deutschen Bahn gefunden haben, zeigt mir, dass sie die Zeit bei uns für ihre Zukunft genutzt haben und ich meinen Teil dazu beitragen konnte. Eine ehemalige Auszubildende arbeitet jetzt sogar in ihrem eigenen Salon als selbständige Friseurin!“
Im Laufe der 40jährigen Geschichte hat sich nicht nur räumlich und personell vieles weiterentwickelt. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen bedingen eine kontinuierliche Anpassung unseres Angebotes und die stetige Fortschreibung unseres Konzeptes. Hierbei sind Begriffe wie Qualitätsmanagement, Partizipation und Schutzkonzept nur einige Beispiele. Darüber hinaus sind gesellschaftliche Diversität aber auch Fachkräftemangel oder in Bezug auf unsere Betriebsstätten die E-Mobilität Themen, die auf unsere zukünftige Ausrichtung und Arbeit einwirken werden.
In Rahmen unserer Jubiläumsschrift möchten wir uns nochmals bei allen unseren Mitarbeitenden für ihre motivierte, solidarische und engagierte Arbeit bedanken. Ebenso bei den Jugendämtern, dem Landschaftsverband sowie den externen Partnern, Wegbegleitern und Förderern für ihr Vertrauen. Gemeinsam mit ihnen möchten wir auch zukünftig vertrauensvoll, aktiv und optimistisch an dem Ziel arbeiten, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen.